Enttäuschte Kunden: Viel Kritik an Apples neuen MacBook Pro
Für viele Mac-Anwender war das „Hello-again“-Event am Donnerstag eine herbe Enttäuschung. Es wurden lediglich neue MacBook Pro Modelle vorgestellt, deren Ausstattung und Preise seither für viel Kritik in der Gemeinde sorgen. Ist die Aufregung berechtigt? Ein Faktencheck.
Die Produkte, die Apple-Chefdesigner Jony Ive und sein Team entwerfen, scheinen nicht immer zum tatsächlichen Bedarf der Kunden passen – zumindest wenn es um den Mac geht. Jüngstes Beispiel: Die neuen MacBook Pro. Ich habe in den vergangenen Tagen eine Menge negative, aber auch einige positive Meinungen gesammelt und fasse die wichtigsten Argumente mal zusammen.
Nicht die neuesten Prozessoren
Apple hat sich bei den aktuellen MacBook Pro gegen Intels neue „Kaby-Lake“-Prozessoren entschieden und verbaut stattdessen die bereits seit einem Jahr erhältlichen „Skylake“-CPUs. Apple begründet diesen Schritt mit der mangelnden Verfügbarkeit insbesondere der „Kaby Lake“ Quad-Core-Chips, die Berichten zufolge frühestens im Dezember in grösseren Stückzahlen lieferbar sein sollen.Natürlich hätte Apple auf die neuen Rechenknechte warten können, doch in Fachkreisen wird bereits gemunkelt, dass die neueste Generation von Intels Mobil-Prozessoren erst sehr viel später erhältlich sein könnte. Apple hätte so auf das lukrative Weihnachtsgeschäft verzichten und die Kundschaft noch länger auf frische Hardware warten müssen. Ausserdem gelten die nun zum Einsatz kommenden, sparsamen „Skylake“ als hinreichend erprobt und zuverlässig, um auf die anspruchsvolle Apple-Kundschaft losgelassen zu werden.
Bescheidene RAM-Ausstattung
Viele Anwender beklagen, dass sich der Arbeitsspeicher der neuen MacBook Pro nur bis maximal 16 GB ausbauen lässt. Insbesondere professionelle Bildbearbeiter und Videocutter könnten für die tägliche Arbeit deutlich mehr gebrauchen. Da die RAM-Bausteine fest verlötet zu sein scheinen, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Geräte zu einem späteren Zeitpunkt auf einfache Weise mit mehr Arbeitsspeicher aufgerüstet werden können.Normalerweise lässt Apple keine Gelegenheit ungenutzt, den Kunden beim Kauf komfortable Upgrade-Optionen anzubieten – gegen saftige Aufpreise. Apples Marketing-Chef Phil Schiller führte in einem Interview als Grund an, dass bei allzu üppigen RAM-Ausstattungen der Stromverbrauch signifikant ansteigt und die mögliche Akkulaufzeit drastisch sinkt.
Fakt ist, die „Skylake“ Systemarchitektur unterstützt lediglich LPDDR3 RAM – und da ist bei 16 GB Schluss. Fakt ist aber ebenso, dass 16 GB RAM für die allermeisten Anwender völlig ausreichend ist. Trotzdem schade, dass sich Pro-User, die mehr gebrauchen könnten, auf Jahre hinaus mit begrenztem Arbeitsspeicher zufrieden geben müssen. Glücklicherweise scheint zumindest der SSD-Speicher austauschbar zu sein.
Komplett neue Anschlüsse
Apple verabschiedet sich mit den neuen MacBook Pro gleich von mehreren etablierten Anschlussnormen. Statt MagSafe, Thunderbolt 2, HDMI und USB 3 gibt es nur noch zwei bzw. vier Thunderbolt-3-Buchsen.Auch wenn der neue Anschluss die gleiche Steckerform wie USB-C aufweist und sich derlei Geräte problemlos an den neuen MacBook Pro verwenden lassen, wird es noch eine ganze Weile dauern, bis sich diese Schnittstelle auf breiter Front durchsetzt. Wer seine vorhandene Peripherie an den neuen MacBook Pro weiter nutzen möchte, sollte die Anschaffung einiger Adapter mit einkalkulieren.
Besonders sauer stösst vielen Anwendern der Wegfall des ebenso sicheren wie einfachen MacSafe-Ports auf, denn auch die Stromversorgung erfolgt nun über Thunderbolt 3. Künftig wird es wohl wieder häufiger krasse Sturzschäden geben, die der geniale MacSafe-Stecker zehn Jahre lang in den allermeisten Fällen erfolgreich verhindern konnte.
Auf Wiedersehen, SD-Kartenslot
Jahrelang verfügten die MacBook Pro Baureihen über einen eingebauten Steckplatz für SD-Speicherkarten. Diesen Slot hat Apple einfach wegrationalisiert – was nicht nur bei Fotografen für Empörung sorgt. Warum muss Apple ausgerechnet an solchen, für Kreativ-Arbeiter wichtigen Schnittstellen sparen? Vor allem, wenn gleichzeitig die Gerätepreise kräftig angehoben wurden? Es bleibt zu hoffen, dass der SD-Kartenslot bei der nächsten Generation wieder vorhanden sein wird.Adios, leuchtender Apfel
Wie schon beim 12“ Retina MacBook gibt es nun auch bei den MacBook Pro kein beleuchtetes Apple-Logo mehr im Deckel. Ganze 19 Jahre lang - seit dem ersten PowerBook G3 - zierte das illuminierte Obst-Symbol alle Pro-Modelle der Apple Notebooks. Nun glänzt an dieser Stelle spiegelblank poliertes Metall.Tschüss, Power-Button
Es ist nicht das erste Mal, dass Apple versucht, den Einschaltknopf verschwinden zu lassen. Bei manchen älteren Desktop-Macs fand sich dieser nur noch auf der mitgelieferten Tastatur, oder er wurde auf die Geräterückseite verbannt. Bei den neuen MacBook Pro verfügt nur noch das günstige 13“ Modell ohne Touch-Bar über einen klassischen Einschaltknopf rechts oben auf der Tastatur. Die teureren Varianten mit Touch-Bar starten automatisch, sobald man den Displaydeckel öffnet.Ruhe in Frieden, Startup-Chime
Als würde die Abkehr von vielen bewährten Schnittstellen nicht reichen, bricht Apple auch noch mit einer beinahe heiligen Mac-Tradition: Seit dem allerersten Macintosh 1984 ertönte beim Hochfahren des Rechners ein akustisches Signal, der sogenannte Startup-Chime. Dieser signalisierte entweder die erfolgreiche Prüfung des Arbeitsspeichers, oder den Vollzug des PRAM-Resets (je nachdem, welche Tasten man gedrückt hatte). Wenn der Mac beim Start einen anderen Ton von sich gab - z.B. ein Pfeifen - war etwas mit der Hardware nicht in Ordnung.Den „OK“-Sound, der sich über die Jahre immer mal wieder von einer Mac-Serie zur nächsten veränderte, hat Apple mit den neuen MacBook Pro abgeschafft. Er stammte aus einer Zeit, in der PCs noch nicht so zuverlässig funktionierten wie heute und wurde anfangs noch von einem Bildschirmsymbol in Form eines lächelnden Macs begleitet. All das ist nun Geschichte.
Höhere Preise
Die neuen Modelle sind deutlich teurer als ihre Vorgänger. Im Euro-Raum fallen die Preiserhöhungen noch etwas drastischer aus, als auf dem U.S.-Markt, weil Apple hier angeblich Wechselkurs-Risiken mit einkalkulieren muss. Darüberhinaus kommen z.B. in Deutschland zusätzlich Urheberrechts-Abgaben hinzu, die in anderen Ländern nicht erhoben werden.So kann man jetzt bis zu 4.999 Euro für das Spitzenmodell auf den Tisch legen (mit dem schnellsten Prozessor, 16 GB RAM und 2 TB SSD). Für die günstigste Version ohne Touch-Bar, mit nur zwei Anschlüssen und gemächlichem 2,0 GHz Dual-Core Prozessor, 8 GB RAM und 256 GB SSD werden 1.699 Euro fällig. Ausserdem entstehen Mehrkosten durch die Anschaffung teurer Adapter, um die kaum jemand herumkommen wird, wenn vorhandene externe Geräte weiter genutzt werden sollen. Momentan kann man nicht mal iPhone oder iPad ohne spezielles Kabel an die neuen MacBook Pro anschliessen.
Bei immer mehr Anwendern entsteht der Eindruck, dass sich Apple von einer Premium-Marke zu einem Luxus-Label entwickelt. Manche der in letzter Zeit neu vorgestellten Produkte sind erheblich teurer, als ihre direkten Vorgänger: iPad Pro, iPhone 7 und Apple TV 4 sind nur einige Beispiele. Anders als in den Jahren zuvor, bekommt man nicht mehr automatisch mehr Leistung bei einigermassen stabil bleibenden Preisen. Für spürbare Verbesserungen muss man nun auch spürbar tiefer in die Geldbörse greifen.
Fazit
Apple ist mit der neuen MacBook-Pro-Generation einen grossen Schritt nach vorn gegangen und hat - wieder einmal - vieles von dem über den Haufen geworfen, woran sich manche Nutzer gerade erst gewöhnt hatten. Dennoch sind die neuen Modelle wegweisend und sicher leistungsstark genug, auch anspruchsvolle Anwender zufrieden zu stellen.Offensichtlich wollte Apple nicht länger auf Intel warten und hat eine Art Interim-Modellreihe herausgebracht: Neue Architektur, aber noch nicht ganz das, wo man eigentlich hinkommen möchte. Trotzdem können die neuen 13" und 15" MacBook Pro eine lohnende Anschaffung sein: Mehr Power, grössere Trackpads, neue Tastaturen und nochmals verbesserte Displays.
Keiner der genannten Kritikpunkte ist für sich genommen ein Riesendrama, doch in der Gesamtbetrachtung zeigen sich einige Nachteile, mit denen langjährige Mac-User erstmal klarkommen müssen. Darüber kann auch die schicke Touch-Bar nicht hinwegtrösten, die ein Teil der Nutzer ohnehin für ein Gimmick zu halten scheint.
Die Tatsache, dass sich die neuen Modelle gegenüber ihren Vorgängern um bis zu 35% verteuert haben, könnte für manche ein weiterer Grund sein, vorerst von einem Kauf abzusehen und die weitere Entwicklung abzuwarten. Als Alternative für alle, die die Rechenleistung der Pro-Reihe nicht benötigen, dürfte es in nicht allzu ferner Zukunft auch (einen gemeinsamen?) Nachfolger für die MacBook Airs und 12“ Retina MacBooks geben.
Weiterführende Links
Apple Website
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Dieser Artikel wurde nach Erstveröffentlichung noch einmal überarbeitet.
Bilder: Apple Inc; Text: Thomas Landgraeber;
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