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Künftige Firefox-Versionen mit Werbung

FirefoxTiles

"Freie Software" hat ihren Preis

Seit vor einigen Tagen bekannt wurde, dass künftige Versionen des kostenlos erhältlichen Webbrowsers Firefox in neu geöffneten, leeren Tabs kommerzielle Werbung angezeigt werden könnte, reissen die Diskussionen darüber nicht ab. Verliert "freie Software" damit an Glaubwürdigkeit?

Bisher präsentiert Firefox in neuen Tabs bis zu neun Miniatur-Abbildungen der meistbesuchten Websites des Anwenders. Bei Neuinstallationen bleiben diese Plätze bislang leer (s. Bild oben). Hier soll künftig Reklame erscheinen, um die Finanzausstattung der hinter dem Firefox-Browser stehenden Mozilla Foundation zu verbessern. Entsprechende Pläne hat Mozilla-Chefin Mitchell Baker in einem Blogeintrag jüngst erneut bekräftigt.

Details zur Vermarktung der "Directory Tiles" stehen zwar noch nicht fest, Mozilla hat die Idee aber schon auf dem Jahrestreffen des Werbeverbandes Interactive Advertising Bureau vorgestellt und Gespräche mit Interessenten aufgenommen. Neben Verweisen auf andere Mozilla-Seiten soll hier künftig auch Reklame eingeblendet werden - möglicherweise abhängig vom Standort des Anwenders.

Die Werbung soll eindeutig gekennzeichnet und frei von Tracking-Features sein. Letzteres Versprechen wird in der Praxis jedoch kaum zu halten sein, schliesslich verlangen so gut wie alle Online-Vermarkter heutzutage Nachweise für den Erfolg ihrer Kampagnen. Die Branche verlässt sich dabei auf erprobte Analyse-Tools, die allesamt auf eindeutige Kennzeichnung und Verfolgbarkeit der Nutzer setzen.

Deshalb ist es kein Wunder, dass sich unter Firefox-Anwendern lautstarker Widerstand regt. Viele befürchten einen Dammbruch, wenn sich der Kommerz erst einmal eingenistet hat. Manche lehnen werbefinanzierte Software grundsätzlich ab und würden lieber werbefreie Angebote nutzen, auch wenn diese teilweise Geld kosten.

Tatsächlich stellt sich die Frage, warum die gemeinnützige Mozilla Foundation zu solchen Massnahmen greift. Schliesslich lebt sie bisher gut von der Unterstützung grosser Suchmaschinen-Betreiber und anderer Internet-Konzerne. Allein im Jahr 2012 konnte die Organisation Zuwendungen in Höhe von 311 Millionen US-Dollar einsammeln - fast doppelt soviel wie im Jahr zuvor.

Doch die Stiftung ist nur ein Teil des Firmenkonstrukts. Die eigens gegründete Mozilla Corporation kümmert sich offiziell um die Vermarktung der Mozilla-Produkte. Medienberichten zufolge läuft im November 2014 ein Vertrag zwischen Google und der Mozilla Foundation aus. Möglicherweise sucht man deshalb nach alternativen Möglichkeiten zur Refinanzierung.

Die Weiterentwicklung der Mozilla-Produkte kostet zweifellos viel Geld. Denn auch wenn stets der Anschein erweckt wird, die Projekte seien von der eigenen Community getrieben, liefert diese seit Jahren vorwiegend Add-ons und Erweiterungen. Die technologischen Fortschritte des Webs kommen seit der Jahrtausendwende fast ausschliesslich von grossen IT-Unternehmen und Patent-Konglomeraten, die sich in riesigen Lizenz-Pools organisieren.

Vielleicht ist es an der Zeit, die etwas verklärte Bedeutung dessen, was die meisten unter "freier Software" verstehen, neu zu definieren. Google hat bereits gezeigt, wie man aus einem freien und offenen Betriebssystem (Linux) ein proprietäres, lizenzpflichtiges Produkt macht (Android). Möglicherweise hat Mozilla mit Firefox und Firefox OS ähnliches vor und möchte die Anwender langsam an einen gewissen Grad der Kommerzialisierung gewöhnen.

Die nächsten Jahre werden wohl deutlicher als bisher zeigen, dass die "Alles-jederzeit-und-kostenlos"-Mentalität sehr wohl ihren Preis hat.


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Titelbild: Mozilla.org; Text: Thomas Landgraeber

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