Stay hungry. Stay foolish.

Grosser Praxistest: iPad Wi-Fi 16 GB


Das iPad im Alltag: Was kann es wirklich? Wo liegen die Schwächen? Ich habe es 10 Tage lang fleissig getestet und die Vor- und Nachteile kennen gelernt. In diesem Test geht es also weniger um langweilige technische Daten und die 186. Aufzählung aller Features, sondern wie es sich im Alltag schlägt.

Vorsicht: Suchtgefahr
Eines gleich vorweg: Das iPad ist einfach wundervoll! Wenn Sie das Gerät bisher nicht mochten, oder wenn Sie glauben, es nicht zu benötigen - vermeiden Sie am besten jeden körperlichen Kontakt damit. Denn wenn Sie es erstmal in Händen haben, möchten Sie es wahrscheinlich nicht mehr hergeben. Es ist - trotz einiger Schwächen - ein schönes Stück Technik, dessen Faszination allenfalls chronische Apple-Hasser widerstehen können. Die meisten anderen werden innerhalb weniger Minuten das Verlangen haben, es zu besitzen. Sagen Sie später nicht, sie seien nicht gewarnt worden.

Der erste Eindruck
Der Verpackung ist relativ klein und schick. Schnell ist die Folie entfernt, der Deckel gelüftet und schon liegt es da: In einer weiteren Schutzfolie verpackt, wirkt es auf den ersten Blick wie ein riesiger iPod touch. Darunter befinden sich im Karton noch das kleine Ladegerät, das USB-Kabel und ein Umschlag mit Infos und Apple-Aufklebern. Kein Dock, kein Reinigungstuch.
Nach dem Einschalten möchte das iPad zunächst an Mama iTunes’ Brust, um sich mit der nötigen Daten-DNA zu versorgen. Die Tauf-Zeremonie geht beim WLAN-Modell deutlich schneller über die Bühne, als beim iPhone, weil die Aktivierung wegfällt. Auch die Registrierung kann wahlweise übersprungen werden. Wie von iPhone und iPod gewohnt, kann der Besitzer mit wenigen Mausklicks entscheiden, mit welchen Infos und Dateien er das Gerät ausstatten möchte. Nach einigen Minuten ist es dann soweit: Fertigmachen zum Freuen!

Die Hardware
Das Gehäuse ist aus einem Stück Aluminium gefertigt und macht einen sehr soliden und wertigen Eindruck. Das Display ist hell, kontrastreich und scharf. Der mögliche Betrachtungswinkel ist überraschend gross. Allerdings spiegelt sich alles darin - was in Innenräumen weniger auffällt, aber in der prallen Sonne zum Problem werden kann.
Der Akku hält, was Apple verspricht: 8-10 Stunden Dauerbetrieb sind kein Problem. Benutzt man das iPad nur gelegentlich, kann der Stromvorrat auch 2 Tage halten. In Anbetracht des grossen Displays eine gute Leistung.
Das iPad ist kein Leichtgewicht. Alugehäuse, Display und Akku fordern ihren Tribut. Man sucht schnell nach einer Auflagemöglichkeit, um die Arme abzustützen. Längeres einhändiges Halten ist eher unkomfortabel. Aber es liegt ansonsten gut in den Händen und man findet meist automatisch eine bequeme Position.
Das iPad-Gehäuse bleibt unter normalen Bedingungen erstaunlich kühl. Mehr als handwarm wird es nur selten. Legt man es aber in die pralle Sonne, heizt es sich schnell auf. Allerdings ist es in der ganzen Zeit nie so heiss geworden, dass Programme beendet wurden, oder sich das Gerät abschaltete.

Das WLAN-Problem
Bei meinem Exemplar treten gelegentlich die bereits von anderen Nutzern berichteten Störungen beim WLAN-Betrieb auf. Nach kurzzeitigen Verbindungsabbrüchen muss teilweise das Funknetz erneut ausgewählt werden. Das Problem kann mit verschiedenen Routern und Funkstandards auftreten, auch in kurzer Entfernung zur WLAN-Station und nicht nur nach dem Aufwachen aus einem Nickerchen, sondern auch im laufenden Betrieb.
Ein Neustart des iPad und / oder der Station bringt nur selten Besserung. Häufig sind die Störungen aber ebenso schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetreten sind. Die Ursache lässt sich nicht eindeutig feststellen.

Die Multitouch-Oberfläche
Die Bedienung ähnelt der von iPhone und iPod touch. Allerdings reagiert das Interface besser und schneller auf Eingaben. Das Bewegen von Objekten läuft so geschmeidig ab, als wenn man durch Sahne streicht. Nur gelegentlich kommt es zu Missverständnissen bei der Auswahl von kleinen Objekten oder bei Textpassagen.
Das iPad ist extrem einfach zu bedienen, allerdings hat die Simplizität auch ihre Nachteile. Wie beim iPhone benötigt man auch beim iPad oft mehre aufeinander folgende Aktionen bei Aufgaben, die man am Mac oder PC mit einem einzigen Mausklick erledigt. Das vereinfachte Bedienkonzept ist ideal für iPhone und iPod touch, auf dem dem iPad wirkt es zuweilen etwas sperrig und wenig intuitiv.
Das mag zum Teil daran liegen, dass die meisten Programmierer ihre Apps für das iPhone entwickelt haben und nun erstmal leicht angepasste Versionen für das grosse Brüderchen anbieten. Doch auch bei nativen iPad Apps gestaltet sich die Bedienung bei etwas komplexeren Aufgaben mitunter erstaunlich kompliziert. Apple hat an vielen Stellen einfach noch nichts anderes vorgesehen, als das minimalistische iPhone-Konzept.
Was man bei einem Gerät dieser Grösse schnell vermisst, ist eine zentrale Dateiverwaltung wie dem Mac Finder. Zwar gibt es Programme, die eine Dateistruktur schaffen und viele Formate darstellen bzw. abspielen können, aber wenn eine Datei an eine andere App übergeben werden soll, muss das explizit so als Funktion vorgesehen und entsprechend programmiert sein (iPhone OS 3.2). So lässt sich beispielweise ein Pages-Dokument in Air Sharing Pro zwar darstellen, drucken und per E-Mail versenden, aber mit Dropbox kann man es auch in Pages öffnen und bearbeiten (sofern es nicht völlig zerschossen dort ankommt). Es ist noch viel Raum für Verbesserungen beim Dateiaustausch.


Das iPad als Lesegerät
Eines der - vor allem in der Presse - am meisten beachteten Features ist die Möglichkeit, das iPad zur Lektüre von elektronischen Büchern, Online-Magazinen und Nachrichtenseiten zu verwenden. Es schien fast so, als projiziere die gesamte Verlagswelt ihre Zukunftshoffnungen auf Apples neues Wunderkind.
Und tatsächlich spielt das iPad in dieser Disziplin seine Stärken voll aus. Das Gerät eignet sich sehr gut zum Lesen. Helligkeit, Kontrast, Schärfe und Farbdarstellung sind hervorragend und die technische Umsetzung ist nahezu perfekt. Das gilt nicht nur für Apples eBook-Reader iBooks, sondern für sämtliche Darstellungen von Texten und Bildern. Selbst normale Webseiten lassen sich auf dem iPad angenehmer durchstöbern, als z.B. mit einem Notebook. Auch RSS-Newsreader und Dienste wie Instapaper machen mit dem Multitouch-Device mehr Spass, als auf Macs, PCs und Smartphones. Man ist einfach näher dran am Inhalt. Durch die Grösse des Displays und die Finger-Bedienung hat man stets das Gefühl, mittendrin zu sein. Hat man dann noch speziell angepasste Programme, wie etwa Articles oder Twittelator, greift man immer häufiger zum iPad, als sich an den Rechner zu setzen.
Doch leider nutzen noch nicht alle App- und Content-Anbieter sämtliche Vorzüge des Geräts. Insbesondere manche - eigentlich speziell für das iPad geschaffene - Publikationen wirken hastig zusammen gebastelt, wenig durchdacht oder sind nur dürftig umgesetzt. Das ist bei kostenlosen Angeboten nicht weiter tragisch, aber man sollte genau hinschauen, bevor man seine Kreditkarte zückt.
Das Angebot an deutschsprachigen Publikationen ist noch recht übersichtlich, doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch hier Tausende Angebote zur Verfügung stehen werden. Apples eBook-Reader iBooks kann nicht nur die Erzeugnisse aus dem eigenen Store darstellen, sondern auch DRM-freie, im Internet geladene oder selbst erstellte ePub-Dateien. Und mit Amazons Kindle App lässt sich schon jetzt die gesamte US-amerikanische eBook-Library des Online-Händlers nutzen. Mit der Einführung des iPad in Europa Ende Mai dürfte dann auch das deutschsprachige Angebot rasch anwachsen.


Das iPad als Mediaplayer
Auch als Abspielgerät für Musik-, Film- und Multimedia-Inhalte macht das iPad eine gute Figur. Fotos sehen auf dem Display einfach grossartig aus und auch Videos werden gestochen scharf, mit guten Kontrasten, lebendigen Farben und ohne irgendwelches Ruckeln oder Schmieren dargestellt - sofern es das Material hergibt. Geringe Auflösungen, matschige Bilder oder Kodierungsfehler fallen auf dem iPad augrund des guten Displays deutlicher auf, als man es vielleicht vermutet.
Bei der Klangqualität sollte man keine zu hohen Ansprüche haben. Was an der Kopfhörerbuchse anliegt, entspricht in etwa dem, was man vom iPhone her kennt. Straffe, etwas zu schlanke Bässe, einen insgesamt akzeptablen Mitteltonbereich und recht glasig wirkende Höhen. Es gab schon iPod-Modelle, die besser klangen, doch die meisten Anwender dürften damit zufrieden sein. Der eingebaute Lautsprecher neben dem Dockanschluss ist glücklicherweise wesentlich kräftiger als beim iPhone. Videos und Spiele klingen meist ganz angenehm, zur Musikwiedergabe eignet sich die kleine Tröte aber nur bedingt.
Insgesamt kann das iPad als Mediaplayer aber durchaus überzeugen. Vor allem, wenn man es mit anderen Geräten in dieser Preisklasse vergleicht, wird schnell klar, dass das iPad im Grunde genommen konkurrenzlos ist.


Das iPad als Büro-Fee
Kontakte, Termine, E-Mails, Web - für normale Ansprüche bringt das iPad schon vieles mit, was den digitalen Geschäftsalltag vereinfacht. Für alles weitere gibt es reichlich Apps im Store.
Was allerdings nach wie vor eine Herausforderung sein kann, ist der reibungslose Austausch von Daten und Dokumenten zwischen einzelnen Geräten. Hier muss man sich daran gewöhnen, dass - wie beim iPhone - verschiedene Konzepte nebeneinander existieren. Manche Programme möchten sich per WLAN mit einem Mac oder PC synchronisieren, vieles lässt sich über Webdienste erledigen und manchmal geht es nur per USB-Kabel, wie etwa bei den iWork-Apps für das iPad, deren Dokumente über iTunes ausgetauscht werden. Hier wünscht man sich als Anwender schnell eine einfache, einheitliche Methode zum Austausch sämtlicher infrage kommender Daten - am besten in einem Rutsch. Und nicht jeder möchte seine Daten via Dropbox, MobileMe oder Evernote um die halbe Welt pumpen, um sie auf ein Gerät zu schicken, was fünf Meter entfernt ist.
Was die virtuelle Tastatur angeht - sie lässt sich am besten im Querformat benutzen, wenn das iPad vor einem liegt. Das gleichzeitige Halten und Tippen ist bei längeren Texten etwas anstrengend.

Das iPad als Notebook-Alternative
Kann das iPad nun ein MacBook oder Windows-Laptop ersetzen? Antwort: Wenn es der einzige Computer ist, sicherlich nicht. Aber bei Anwendern, die z.B. einen iMac oder Desktop-PC als Hauptrechner haben, kann das iPad unter bestimmten Voraussetzungen das zusätzliche Net- oder Notebook obsolet machen. Aber nur, wenn man unterwegs tatsächlich auf einen “richtigen” Rechner mit reichlich Speicherplatz, einer echten Tastatur und viele Anschlussmöglichkeiten verzichten kann.

Was fehlt?
Beim täglichen Umgang fragt man sich, warum das iPad nicht einfach freigegebene iTunes-Mediendateien von Macs, PCs oder Apple TV, die sich im selben WLAN befinden, streamen kann. Es ist etwas mühsam, dass Musiktitel und Videos erst auf das iPad kopiert werden müssen, um abgespielt zu werden. Es bleibt zu hoffen, dass Apple dieses Feature bald nachreicht.
Es ist im Vorfeld viel über das Fehlen einer frontseitigen Kamera z.B. für Videochats diskutiert worden. Ich vermisse eine solche Kamera nicht, aber die Ansprüche und Wünsche sind von Anwender zu Anwender verschieden.

Die Vorteile
• Gute Verarbeitung
• Leistungsfähiger Prozessor
• Erstklassiger Multitouch-Bildschirm
• Schnelle WLAN-Anbindung (802.11n)
• Lange Akkulaufzeit
• Ausgereiftes Betriebsystem
• Einfache Bedienung, gute Benutzerführung
• Eignet sich als PDA, eReader, Multimedia-Player und Spielkonsole
• Grosse Auswahl an Software für unzählige Einsatzgebiete
• Vergleichsweise günstige Einstiegspreise

Die Nachteile
• Geschlossenes Ecosystem (“walled garden”)
• Eingeschränkte Auswahl an unterstützten Formaten
• Wenig Anschlussmöglichkeiten
• Kein Speicherausbau
• Spiegelndes Display ohne ausreichende Antireflex-Beschichtung
• Hohe Preise bei den Top-Modellen

Auffäligkeiten beim Test-Exemplar
• Gelegentlich auftrerende Störungen bei WLAN-Verbindungen

Und, braucht man das iPad?
Den grössten Nutzen dürften Anwender haben, die weder ein iPhone, noch ein Laptop besitzen, sondern ein normales Handy und einen mehr oder weniger betagten Desktop-Mac oder -PC. Hier kann das iPad den Alltag erheblich vereinfachen und vieles angenehmer machen.
Wer bereits ein iPhone / iPod touch und ein Notebook besitzt, wird sich wahrscheinlich fragen, welchen Extra-Nutzen die Anschaffung eines iPad bringen könnte. Nun, das lässt sich relativ leicht beantworten: Wenn Sie die genannten Geräte bereits haben, brauchen Sie das iPad nicht. Aber es kann das Leben (noch) ein bisschen schöner machen. Zum Lesen unterwegs oder auf dem Sofa, für Updates in sozialen Netzen, für einfache Büroaufgaben - und natürlich beim Konsum von Medien und Spielen.

Fazit
Das iPad ist ein Luxusartikel. Eigentlich überflüssig, aber schon nach kurzer Zeit für viele unentbehrlich.

Bewertung
4of5Stars
Sehr gut

Zur Mahnung
Eigentlich wollte ich das iPad nur testen und dann weitergeben. Aber das ist jetzt nicht mehr möglich.

Preise und Verfügbarkeit
Das iPad ist bisher nur in den USA erhältlich und dort momentan vielerorts ausverkauft. Ab 10. Mai wird Apple die deutschen Preise bekannt geben und Vorbestellungen annehmen. Die Auslieferung soll dann “Ende Mai” beginnen.

Foto, Screenshots und Text: Thomas Landgraeber; Text: Thomas Landgraeber

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