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Der Flash Krieg - und warum Adobe nur verlieren kann


Zickenkrieg in den Chefetagen oder Kampf um die Zukunft des Internet? Der Streit zwischen Adobe und Apple über Flash ist exemplarisch für den Wandel, der sich in der digitalen Welt abzeichnet. Den Umstieg auf das Überall-Netz werden nicht alle Formate überleben. Erfahren Sie mehr über die Hintergründe und welche neuen Fronten sich jetzt auftun.


Wie alles begann
Apple weigert sich seit Jahren beharrlich, Adobes Multimedia-Technologie Flash auf dem iPhone-Betriebssystem zu unterstützen. Sehr zum Leidwesen vieler Nutzer und trotz anhaltender, öffentlicher Kritik an dieser Politik. Vor einigen Tagen reagierte Apple CEO Steve Jobs und veröffentlichte einen offenen Brief an Adobe, in dem er ausführlich erklärt, welche Gründe seine Firma zu dieser Entscheidung bewogen haben. Flash sei veraltet, fehlerbehaftet, stromhungrig, sicherheitsanfällig und für Geräte mit Touchscreen ungeeignet. Ausserdem zeichne sich der Flash Player für Mac OS X durch schlechte Performance und große Absturzfreudigkeit aus. Trotz intensiver gemeinsamer Anstrengungen seien die Probleme über Jahre geblieben.
Zudem stelle Adobe den Entwicklern Werkzeuge zur Verfügung, die es ermöglichen, ihre Software gleichzeitig für mehrere Betriebssysteme anzubieten. Apple wolle beim iPhone OS aber keine fremde Instanz zwischen Plattform und Entwickler lassen. Die Erfahrung habe gezeigt, dass dabei Produkte entstehen, die weder Nutzen aus den von Apple zur Verfügung gestellten Technologien ziehen, noch den Qualitätsanforderungen des Hauses entsprechen. Es sei deshalb besser, so Steve Jobs, Adobe würde sich in Zukunft auf die Kreation von Werkzeugen konzentrieren, die HTML5-Code generierten, anstatt Apple dafür zu kritisieren, die Vergangenheit hinter sich zu lassen.


Adobe schlägt zurück
Die Antwort liess nicht lange auf sich warten. In einem Interview mit dem Wall Street Journal (Flash-Video) reagierte Adobe-Chef Shantanu Narayen auf die Ausführungen von Steve Jobs und erklärte, Apple versuche nur zu verschleiern, selbst die Kontrolle über die Software-Entwicklung für iPhone und iPad behalten zu wollen. Mit Technologie habe das nichts zu tun. Jobs' Behauptung, Adobe stehe für ein proprietäres System und Apple setze auf offene Standards, findet Narayan „amüsant“. Das Gegenteil sei richtig - Flash sei eine offene Spezifikation und Apple hindere mit proprietärer Technik andere Unternehmen daran, ihre Produkte auf der iPhone-Plattform anzubieten. „Offene Systeme haben immer triumphiert“, so der Adobe-Chef.
Auf den Vorwurf, der Flash Player liefere unter Mac OS X ungenügende Performance, entgegnete er, dies sei zum Teil Schuld des Betriebssystems. Apple hindere Adobe daran, die Leistung zu verbessern, da keine geeigneten Schnittstellen zur Verfügung gestellt werden.


Besserung in Sicht - aber nur für Mac OS X
Tatsächlich gab es bisher in Mac OS X keine Möglichkeit, das Dekodieren von Videos an die Grafikkarte auszulagern, dies war allein Apples QuickTime X vorbehalten. Ob es nun Zufall ist, oder ein Zeichen guten Willens - Apple hat vor ein paar Tagen das Video Decode Acceleration Framework für Mac OS X 10.6.3 veröffentlicht, welches hardware-beschleunigtes H.264-Videodecoding auf Macs mit Nvidia-Grafikchips GeForce 9400M, GeForce 320M und GeForce GT 330M unterstützt.
Überraschend schnell stellte Adobe daraufhin die Preview einer neuen Version des Flash Players mit dem Codenamen „Gala“ vor, die auf dem neuen Framework aufsetzt. Und tatsächlich zeigen erste Tests erhebliche Verbesserungen. Nichtsdestotrotz bleibt der Flash-Plattform der Zugang zum iPhone OS verwehrt.


HTML5 wird Flash verdrängen
Auch wenn man Apples Haltung gegenüber Adobe nicht unterstützt, kann man die Augen vor der Realität kaum verschliessen: Immer weniger Websites und Online-Videoportale setzen auf Flash - oder bieten schon Alternativen an. Von einigen wenigen Web-TV-Diensten einmal abgesehen, ist der Flash Player bisher eigentlich „nur“ als Browser-Plugin für Desktop-Betriebssysteme populär. Auf mobilen Plattformen muss er seine Tauglichkeit erst noch unter Beweis stellen. Alle bisherigen Inkarnationen konnten in Sachen Performance und Formate-Vielfalt nicht überzeugen. So unterstützt Flash seit 2007 auch H.264, allerdings nur als Container-Format ohne native Unterstützung durch die Hardware. Dies soll sich zwar mit dem ab Sommer auf einigen Smartphones ausgelieferten Flash 10.1 ändern, aber es ist fraglich, ob die Hersteller mobiler Geräte nicht gleich auf fix-und-fertig implementierte Lösungen des H.264-Konsortiums setzen.
Ähnliches gilt für HTML5. Selbst wenn es Adobe gelingt, eine wunderbare Multimedia-Plattform für so gut wie alle Gerätearten zu schaffen, werden sich viele Anbieter überlegen, ob sie zukünftige Produkte und Angebote nicht gleich mit dem neuen, offenen Standard für das Web realisieren, anstatt auf das geschlossene Flash zu setzen und sich technologisch von einem einzelnen Hersteller abhängig zu machen.


Schützenhilfe aus Redmond
Auch andere Unternehmen scheinen in HTML5 und H.264 die Online-Technologien der Zukunft zu sehen. Wie Dean Hachamovitch - Leiter der Microsoft-Abteilung für den Internet Explorer - in seinem Blog erläutert, ist das Unternehmen von H.264 derart überzeugt, dass Internet Explorer 9 ausschließlich Filme dieses Formats abspielen wird. Neben den Vorteilen einer Hardware-beschleunigten Video-Wiedergabe seien auch die klaren Regeln zum Lizenzerwerb ein Argument für die weite Verbreitung von H.264 im Internet. Die Lizenz-Verwaltung liegt u.a. in Händen der MPEG Licensing Administration - einer Gruppe, der neben Apple u.a. auch Microsoft angehört.


Nebenschauplatz: Steve Jobs teilt aus
In der Schlacht um die Online-Formate der Zukunft melden sich nun auch die Anhänger freier Software zu Wort. Ihnen ist die Tatsache suspekt, dass bei H.264 viele patentierte Verfahren zum Einsatz kommen, die in Patent-Pools verwaltet werden. So schrieb Hugo Roy von der Free Software Foundation Europe (FSFE) einen offenen Brief an Steve Jobs und fragte, weshalb Apple H.264 bevorzuge, anstatt offene Standards wie z.B. Theora umzusetzen:

„May I remind you that H.264 is not an open standard? This video codec is covered by patents, and “vendors and commercial users of products which make use of H.264/AVC are expected to pay patent licensing royalties for the patented technology” (ref). This is why Mozilla Firefox and Opera have not adopted this video codec for their HTML5 implementation, and decided to choose Theora as a sustainable and open alternative.“

Steve Jobs’ Antwort per eMail (die Quellangaben deuten darauf hin, dass die Nachricht authentisch ist):
„All video codecs are covered by patents. A patent pool is being assembled to go after Theora and other “open source” codecs now. Unfortunately, just because something is open source, it doesn’t mean or guarantee that it doesn’t infringe on others patents. An open standard is different from being royalty free or open source.“

Dieses Statement sorgte unter Netzaktivisten für einige Empörung. Plant Apple nun etwa, gemeinsam mit anderen Patentpool-Mitgliedern freien Codecs wie Theora den Garaus zu machen? Das fragt sich zumindest netzpolitik.org und bekräftigt erneut die Forderung, dass Software-Patente - zumindest in Europa - weitgehend verhindert werden sollten.

Vorläufiges Fazit
Apple wird Flash nicht töten. Auch wenn die Entscheidung, es auf iPhone und iPad nicht zuzulassen, eine gewisse Tragweite hat, wird sie nicht dazu führen, dass Flash plötzlich verschwindet. Dazu gibt es momentan noch zu viele „Spielstätten“, die explizit darauf setzen.
Die grösste Gefahr für Flash bestand schon immer im Aufkommen neuer, leistungsstarker und vor allem offenerer Standards, die von grossen, einflussreichen Firmen unterstützt werden. Die Marktmacht, die sich hinter HTML5 versammelt, ist zu gross, um ignoriert zu werden. Es ist deshalb nur eine Frage der Zeit, bis HTML5 Flash verdrängen wird. Irgendwann werden sich auch die grössten Flash-Verfechter genötigt sehen, ihr Angebot auf HTML5 umzustellen.
Und anders als von manchen erhofft, wird die Online-Zukunft aus einem Mix aus offenen und geschützten Formaten und Verfahren bestehen, deren patent- und nutzungsrechtliche Aspekte klar geregelt sind.


Externe Links: Adobe, Apple, FSFE, Netzpoltik.org, Wall Street Journal; Text: Thomas Landgraeber

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