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Ärger um Apples neue Datenschutz-Richtlinie


Steve Jobs soll Rede und Antwort stehen: Kaum hat Apple mit der Einführung von iOS 4 und dem Werbedienst iAd seine Datenschutz-Richtlinie aktualisiert, hagelt es Kritik von allen Seiten. Kunden maulen, Datenschützer sind alarmiert und Politiker verlangen Aufklärung. Sind die Vorwürfe berechtigt, oder dient die Marke Apple nur als Ersatz-Schlachtfeld für eine längst überfällige Diskussion um Privatsphäre und Datenschutz?

In den neu formulierten Bedingungen erklärt Apple, rechtliche Ansprüche auf Nutzerdaten zu haben, zu denen auch präzise geografische Informationen über den Aufenthaltsort gehören, die in Echtzeit gesammelt und Dritten zur Verfügung gestellt werden - angeblich um die Effizienz und Zielgenauigkeit von Werbung zu erhöhen. Und obwohl Apple den Kunden im Gegenzug gewisse Schutzrechte zubilligt - wie z.B. dass die Daten ausschliesslich anonymisiert weitergegeben werden - regt sich Protest.

Zunächst wurde das Thema nur in den einschlägigen Apple-Foren diskutiert, doch mittlerweile interessieren sich auch Datenschützer, Netzaktivisten und Politiker dafür. Nach Angaben der Washington Post haben zwei amerikanische Kongress-Abgeordnete Steve Jobs offiziell per Brief um Aufklärung gebeten und ihn aufgefordert, bis zum 12. Juli Antworten auf insgesamt neun Fragen zu geben. Sie möchten u.a. wissen, was Apple mit den Daten genau vorhat, mit welchen Partnern diese geteilt werden, welche Anwender und Produkte genau betroffen sind und wie die Anonymität gewährleistet sein soll.

Diesen Forderungen schliesst sich auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger an. Es wäre „undenkbar“, wenn Apple tatsächlich Persönlichkeits- oder gar Bewegungsprofile seiner Nutzer erstellte, so die FDP-Politikerin gegenüber Spiegel Online. Und: „Hier sehe ich Apple in der Bringschuld, die von Steve Jobs vielbeschworene Transparenz auch tatsächlich umzusetzen. Ich erwarte, dass Apple deutschen Datenschützern Einblick in die Datenbanken gewährt.“

Es drängt sich allerdings der Eindruck auf, als wenn hier wieder einmal ein Stellvertreter-Kampf auf Kosten einer bekannten Marke stattfindet. Kritiker sehen in Apples Politik einen weiteren Beweis für die schleichende Enteignung persönlicher Informationen. Seit Jahren sammeln Unternehmen riesige Datenmengen, die mit ausgefeilten Verfahren zu umfangreichen Nutzerprofilen aufbereitet werden. Auch mit anonymisierten Bewegungsdaten wird schon seit längerem experimentiert - Mobilfunkanbieter nutzen diese beispielsweise für Stauprognosen im Strassenverkehr.

Apple betont in seiner Datenschutz-Richtlinie, dass zwischen persönlichen Informationen des Kunden und den nach aussen getragenen Daten eine strikte Trennung besteht. Letztere seien völlig anonym und liessen keine Rückschlüsse auf die jeweilige Person zu - doch das mag ihnen anscheinend kaum jemand glauben.

Das Unternehmen verfügt über detaillierte Profile von schätzungsweise 150 Millionen Kunden weltweit. Die Käuferschicht gilt als anspruchsvoll, trendbewusst und konsumorientiert. Ein riesiger Schatz, dessen Wert sich kaum beziffern lässt. Verständlich, dass Apple versucht, daraus Kapital zu schlagen. Die Kunden haben zwar nicht viel davon, aber es besteht zumindest die Hoffnung, dass ihnen mit iAd künftig sympathischere Werbung angeboten wird.

Firmen wie Apple und Google haben die sogenannten Location Based Services als wichtigen Zukunftsmarkt entdeckt: Standortbezogene Werbedienste, die möglichst genau auf die Bedürfnisse des jeweilgen Nutzers abgestimmt sind. Künstliche Intelligenz machts möglich. Die Präzision, mit der heutzutage in Datenminen nach verwertbaren Informationen geschürft wird, ist verblüffend. Die Ergebnisse sind derart zielgenau, dass es schon unheimlich ist.

Doch haben Unternehmen und Organisationen überhaupt das Recht, solche Daten zu sammeln, auszuwerten und zu veräussern? Nach geltendem Recht, ja - zumindest unter bestimmten Bedingungen. Apple geht hier sehr umsichtig und klug vor. Durch die (angebliche) Trennung von personenbezogenen und anonymisierten Daten und klar gefassten Richtlinien zum Datenschutz ergeben sich kaum Angriffspunkte - zumindest aus juristischer Sicht. Ausserdem wird der Anwender jedes Mal mit Hilfe eines Display-Symbols darüber informiert, wenn eine App auf die aktuellen Lokalisierungsdaten zugreift.

Kritisiert wird auch, dass Apple seine Kunden zwingt, die neuen Bedingungen hinzunehmen. Wer das iPhone 4 erwirbt, oder das neue iOS 4 auf einem vorhandenen Gerät installiert, kann gar nicht anders, als auf „Akzeptieren“ zu klicken - sonst lässt es sich nicht benutzen. Immerhin bietet Apple die Möglichkeit, das Data-Mining etwas einzudämmen: Wer mit einem iOS 4 Gerät die eigens eingerichtete Opt-Out-Website https://oo.apple.com/ besucht, wird dort künftig von iAd-Cookies verschont. Die Standort- und Bewegungsdaten werden aber ggf. trotzdem in Echtzeit erfasst und verarbeitet - die Werbung ist lediglich weniger individualisiert.

Die Kritik an Apple ist sicher nicht ganz unberechtigt. Allerdings stehen die Argumente teils auf etwas wackeligem Boden. Was fehlt, ist eine grundlegende gesellschaftliche Diskussion um Privatsphäre und Datenschutz in einer zunehmend vernetzten Welt - und eine Gesetzgebung, die diesen Entwicklungen Rechnung trägt. Dass sich nun alle auf Apple stürzen, ist eine späte Gegenreaktion auf längst geschaffene Realitäten.

Text: Thomas Landgraeber

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